1. Experiment ist im WACKER-Schulversuchskoffer enthalten

ja

 2. Versuchsvorschrift wurde modifiziert

nein

 3. Eigene Versuchsvorschrift wurde entwickelt

nein

 4. Video-Clip verfügbar

nein

 5. Flash-Animation verfügbar

nein

 6. Weitere Materialien: Arbeitsblätter 8, Arbeitsblätter 4, Arbeitsblatt 5, Folie DH7, Folie B18

Kaltvulkanisierende einkomponentige Siliconkautschuke

Anfang2 Versuchsdurchführung und -beobachtung 1 Materialien, Chemikalien, Zeitbedarf
  • Tesafilm, pH-Indikatorpapier, Spatel, Wasserfarben + Pinsel
  • 3 U-Profilleisten oder Streichholzschachteln
  • 3 Thermometer

Für die Vorbereitung der Proben sollten ca. 20 Minuten einkalkuliert werden. Insgesamt ist für den Versuch mit einer Arbeitszeit von ca. 40 Minuten zu rechnen. Die vollständige Aushärtung der Proben benötigt ca. 1 Tag.

Anfang3 Versuchsauswertung 2 Versuchsdurchführung und -beobachtung
Man klebt zwei U-Profilleisten mit einem Klebeband ab und spritzt eine der beiden Leistenhohlräume mit der Siliconmasse ELASTOSIL® E43 aus und drückt mit einem feuchten Finger die Masse an. Ebenso verfährt man mit der zweiten Profilleiste, hier verwendet man jedoch ELASTOSIL® N199.
Die dritte Profilleiste wird hohlraumfrei mit Gips befüllt und der Überstand mit einem Spatel abgezogen. Wenn keine Profilleisten zur Verfügung stehen, kann man sich auch mit Streichholzschachteln behelfen.
Nun steckt man in jede Dichtungsmasse ein Thermometer und legt auf den Rand des U-Profils einen befeuchteten Streifen pH-Indikatorpapier (vgl. Foto 1).
Abb.: 1 Ausfüllen einer U-Profilleiste mit Dichtungsmasse
Foto 1: Versuchsaufbau
Während des Versuchs wird die Temperatur- und die Geruchsentwicklung der drei Dichtungsmassen ca. 1 h lang beobachtet und in eine Tabelle eingetragen.
Nach dem Aushärten werden die Proben auf Schlagfestigkeit, Konsistenz und Überstreichbarkeit mit Wasserfarben (vgl. Foto 2) geprüft.

Foto 2: Gips und Siliconprobe nach dem Bemalen mit Wasserfarbe

Die Ergebnisse werden ebenfalls in die Tabelle eingetragen. Bei mehrmaliger Durchführung des Versuchs wurden die folgenden Beobachtungen gemacht:
   ELASTOSIL® N199  ELASTOSIL® E43  Gips
 Geruchsentwicklung  nicht bestimmbar  es riecht nach Essig  geruchlos
 pH-Papier  neutral  färbt sich rot (sauer)  neutral
 Konsistenz  weich, gummiartig  weich, gummiartig  fest
 Schlagfestigkeit  elastisch  elastisch  zerbricht in kleine  Stücke
 Übersteichbarkeit mit  Wasserfarbe  Farbe haftet schlecht  und  ist abwaschbar  Farbe haftet schlecht und  ist abwaschbar  Farbe haftet sehr gut und  ist nicht abwaschbar
 Abbindezeit  1 Tag  1 Tag  1 Tag

Tab. 1: Versuchsbeobachtungen

Bei der Überprüfung der Temperaturentwicklung während des Aushärtens der Proben stiegen die Temperaturen bei allen drei Proben um ca. 1,5°C an.
Die im nachfolgenden Diagramm aufgetragenen Temperaturänderungen wurden mit dem Schul-Messgerät "All-Chem-Misst" und der zugehörigen Software aufgenommen (vgl. Foto 3). Die Messungen sollen hauptsächlich den Verlauf der Temperaturänderung widerspiegeln. Beim Gips nimmt die Temperatur beim Aushärten nach dem schlagartigen Anstieg kontinuierlich ab, bis sie nahezu konstant bleibt (vgl. Diagramm). Die Temperaturentwicklung der Silicone verlief dagegen unterschiedlich und uneinheitlich (vgl. Diagramm).
Foto 3: Versuchsaufbau "All-Chem-Misst" - Messung    
Diagramm

Anfang4 Tipps und Anmerkungen 3 Versuchsauswertung

Die Versuchsbeobachtungen (vgl. Tab. 1) zeigen deutliche Unterschiede zwischen Gips und den beiden RTV-1-Siliconkautschuken. Bei der Aushärtung der beiden Siliconkautschuke bilden sich durch Reaktion mit dem in der Luft enthaltenen Wasser in mehreren Schritten Elastomere (vgl. Teil 5 Ergänzende Sachinformationen). Das gehärtete Material hat eine weiche, gummiartige Konsistenz und ist elastisch.
Der saure Geruch und die saure Reaktion von ELASTOSILS ® E43 beruhen darauf, dass dieses System einen Acetoxy-haltigen Vernetzer enthält, wodurch beim ersten Reaktionsschritt, der Hydrolyse, Essigsäure entsteht.
ELASTOSIL® N199 gehört dagegen zu den neutralen Systemen. Da Silicone ausgesprochen antiadhäsiv und hydrophob sind (vgl. auch die Versuche "Hydrophobe Eigenschaften von Siliconölen", "Silicone im Bautenschutz" und "Siliconbeschichtetes Papier"), ist auch leichte Abwaschbarkeit und schlechte Haftung der Wasserfarbe gut zu erklären.
Bei der Aushärtung von Gips findet ein Einbau von Wassermolekülen in das Ionengitter des Calciumsulfats statt. Dabei entsteht aus Calciumsulfat CaSO4 Calciumsulfatdihydrat (Gips) CaSO4 · 2 H2O. Als Ionenverbindung ist Gips ein spröder Feststoff, der bei mechanischer Einwirkung (Schlag) zerbricht.
Die beobachtete Temperaturentwicklung bei der Aushärtung des Gipses kann man folgendermaßen erklären: Der Temperaturanstieg ist auf die Coulomb Kräfte zwischen den Wasser-Dipolen, die ins Ionengitter dringen und den Ionen zurückzuführen. Ein Teil der dabei frei werdenden Wärme wird anschließend als Verdampfungswärme für das überschüssige Wasser benötigt, der Rest wird an die Umgebung abgegeben. Der Gips kühlt dabei ab.
Die unterschiedlichen Temperaturentwicklungen bei der Vulkanisation der Siliconkautschuke ist das Ergebnis von mehreren exo- und endotherm verlaufenden Prozessen, die vom Ausgangsmaterial abhängen und je nach Arbeitsweise verschieden stark ausfallen. Sowohl die Hydrolyse der Seitengruppen (z.B. der Acetoxy-Gruppe) als auch die Kondensation der Silanole verlaufen exotherm, die Verdampfung der Nebenprodukte (z.B. der Essigsäure) ist dagegen ein Wärme benötigender Prozess. So kommt es zu ganz unterschiedlichen, uneinheitlichen Temperaturverläufen.
Aufgrund der beobachteten Eigenschaften ist Gips als Fugenmaterial für Fugen mit ständigen Bewegungen und Spannungen ungeeignet, da er sich nicht elastisch verhält. Für rein dekorative Fugen, die keinen Bewegungen ausgesetzt sind und eventuell angemalt werden sollen, ist Gips gut geeignet.
Bei den zwei RTV-1-Siliconkautschuken, die für "arbeitende Fugen" gut geeignet sind, muss auch auf die entstehenden Nebenprodukte geachtet werden.
So wäre beispielsweise ELASTOSIL® E43 zum Verbinden zweier Marmorstücke ungeeignet, da die entstehende Essigsäure den Marmor angreift.

Anfang5 Ergänzende Sachinformationen 4 Tipps und Anmerkungen

  • Die Versuchszeit lässt sich stark verkürzen, wenn auf die Temperaturmessung über einen längeren Zeitraum verzichtet und nur der Temperaturanstieg zu Beginn der Aushärtung festgestellt wird. Dadurch kann man zeigen, dass zu Beginn die exothermen Prozesse sowohl bei der Aushärtung von Gips als auch bei der Vulkanisation von Siliconen überwiegen.
  • Als Erweiterung des Versuches kann der Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf den Verlauf der Vulkanisation untersucht werden. Dazu wird ein weiteres U-Profil mit einer RTV-1-Siliconmasse gefüllt und parallel zum obigen Versuch in einem Exsikkator im Wasserstrahlvakuum über trockenem Kieselgel gelagert. Dabei kann beobachtet werden, dass die Vulkanisationszeit zunimmt. Bei einem entsprechenden Referenzversuch war die Probe ELASTOSIL® N199 erst nach drei Tagen ausgehärtet, wogegen sie an der Luft nur einen Tag benötigt. Ein vollständiges Ausbleiben der Vulkanisation war dagegen nicht beobachtbar. Dies kann damit begründet werden, dass mit der Wasserstrahlpumpe die Luftfeuchtigkeit nicht vollkommen entfernt werden kann und zur Vulkanisation nur geringe Mengen an Wasser nötig sind.
  • Eine weitere Variante des Versuchs ist der Bau eines Aquariums mithilfe eines RTV-1-Siliconkautschuks. Dabei werden fünf entfettete Glasplatten (Reinigung mit Aceton oder Ethanol) rechtwinklig mit ELASTOSIL® E43 oder N199 verklebt, so dass daraus ein Aquarium entsteht (Foto 4). Nach der Aushärtung wird das Aquarium auf Wasserdichtheit geprüft. Der entsprechende Versuch gelang problemlos, wie man anhand des Fotos 4 erkennen kann.
Foto 4: Mit ELASTOSIL® verfugte Glasplatten

AnfangLiteratur 5 Ergänzende Sachinformationen

Kaltvulkanisierende einkomponentige Siliconkautschuke, so genannte RTV-1 ( = Raum - Temperatur - Vernetzung, 1-komponentig) enthalten bereits alle zur Vulkanisation erforderlichen Komponenten, wie Polyorganosiloxane, Vernetzer und Füllstoffe, wobei die Vernetzung allerdings erst bei Zutritt von Luftfeuchtigkeit unter Abgabe von Spaltprodukten einsetzt. Bei der Herstellung der RTV-1-Siliconkautschuke reagieren endständige Hydroxyl-Gruppen der Polyorganosiloxanmoleküle mit Vernetzern unter Bildung vulkanisierbarer Produkte (vgl. Abb. 2).
Dabei wird in der Regel ein Polydimethylsiloxan (R = CH3) als Kautschukbasis eingesetzt.

In der Tabelle 2 sind die wichtigsten Typen von Vernetzern (RSiX3) und jeweils einige Beispiele für die Gruppe X angegeben.

 Vernetzer-Typ  Gruppe X (Name)  Gruppe X (Formel)
 Sauer  Acetoxy  
 Octoat  
 Neutral  Amid  
 Oxim  
 Alkoxy  
 Alkalisch  Amin  
Bei Zutritt von Luftfeuchtigkeit setzt die Vernetzung unter Abgabe der je nach Vernetzter typischen Spaltprodukte nach dem in Abb. 3 angegebenen Mechanismus ein. Die Quervernetzung zwischen Silicon-Makromolekülen erfolgt in weiteren Reaktionsschritten unter Beteiligung der noch vorhandenen Gruppen X.
Makroskopisch beginnt die Härtung an der Oberfläche des aufgetragenen Siliconkautschuks mit Bildung einer Haut und setzt sich allmählich ins Innere der Masse fort. Durch Verwendung abgeschlossener Verpackungen (Tube, Kartusche) wird die vorzeitige Vernetzungsreaktion verhindert.

Wie man anhand der Abbildung 4 erkennen kann, ist die Vulkanisationsgeschwindigkeit um so größer, je höher die Luftfeuchtigkeit ist.

Abb. 4: Abhängigkeit der Vulkanisationsgeschwindigkeit von ELASTOSIL® A33 von der Luftfeuchtigkeit bei Raumtemperatur (Quelle: Lit. [2]).
Wie alle Silicone zeichnen sich auch die RTV-1-Siliconelastomeren durch eine hohe Chemikalien-, Ozon- und UV-Strahlenbeständigkeit aus (vgl. dazu auch Versuche "Einfluss von Ozon auf Silicongummi im Vergleich zu anderen Gummiarten" und "Löslichkeit und Chemikalienbeständigkeit von Silicongummi"). Ebenso zeichnen sie sich durch eine ausgesprochene Hydrophobie aus. Die Siliconelastomere unterscheiden sich jedoch für die einzelnen Vernetzungssysteme in bestimmten Eigenschaften, die die Anwendungen vorzeichnen:
 alkalische Systeme  neutrale Systeme  saure Systeme
   keine Geruchsentwicklung bei  der Vernetzung  
     gute Haftung auf Glas, Keramik,  Metallen und Kunststoffen
 gute Haftung auf Baumaterialien,  Glas, Keramik  keine Korrosion auf Metallen  und Kunststoffen  
 leichte Compoundierung (beim  Aminsystem)    ausgezeichnete Transparenz (beim  Essigsystem)
 gute mechanische Eigenschaften    gute mechanische Eigenschaften
 Spannungsrisskorrosion auf  Polycarbonaten    Spannungsrisskorrosion auf  Polycarbonaten
Tab. 3: Eigenschaften von unterschiedlich Siliconkautschuken, die mit unterschiedlichen Vernetzern hergestellt wurden (Quelle: Lit. [2]).
Aufgrund der oben geschilderten Eigenschaften und der unkomplizierten, sicheren Anwendung eignen sich RTV-1-Siliconelastomere ausgezeichnet als Dicht- und Fugenmasse um Spannungsrisse im Mauerwerk zu vermeiden. Diese entstehen durch die ständigen Bewegungen und Spannungen, deren Ursachen thermische Schwankungen, feuchtigkeitsbedingte Einflüsse, das Schwinden von Baustoffen, mechanische Schwankungen oder Absenkungen des Untergrunds sind. Um die oben genannten negativen Folgen zu vermeiden, müssen solche Bewegungen durch elastische Verfugung überbrückt werden. Dies gilt insbesondere beim Zusammenfügen unterschiedlicher Materialien wie Glas/Metall, Stein/Metall etc., um die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der verschiedenen Werkstoffe auszugleichen.
RTV-1-Siliconkautschuke werden daher überwiegend in der Bauindustrie eingesetzt und gehören wohl, in der typischen Kartuschenform, zu den in der Bevölkerung bekanntesten Siliconprodukten. Weitere Einsatzmöglichkeiten finden sich in der Automobil-, Elektro-, Elektronik- und Textilindustrie für Abdichtungen, Verklebungen und Beschichtungen.
AnfangEnde 6 Literatur
W. Held et al., Begreifen und verstehen - Schulversuche mit WACKER-Produkten (Begleitheft zum WACKER-Schulversuchskoffer), Wacker Chemie AG, München, 2007, S. 50-51
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