Anfangweiter 4. Cyclodextrine in Kosmetik-Produkten
Beim Einsatz der Cyclodextrine macht man sich die gleichen Vorteile zunutze wie bei der Verwendung der Cyclodextrine in Lebensmitteln. Denn viele Inhaltsstoffe in Kosmetikartikeln sind wenig stabil und werden vom Luftsauerstoff und bei Licht schnell zersetzt. Dazu zählen vor allem die immer beliebter werdenden Wirkstoffe in Anti-Aging-Produkten. Um die empfindlichen Wirkstoffe vor Luft und Licht zu schützen, werden diese in Wirt-Gast-Komplexen mit Cyclodextrin-Molekülen eingeschlossen.
Abb. 1.52: Die Wirkstoffe in Anti-Aging-Kosmetika sind sehr empfindlich und müssen vor Luft und Licht geschützt werden
Erst bei Anwendung der Kosmetika werden die eingeschlossenen Wirkstoffe durch den Einfluss der Hautfeuchtigkeit aus dem Komplex freigesetzt. Durch diese kontrollierte Freisetzung können die Wirkstoffe ihre Wirkung gezielt entfalten.
Anfangweiter
Abb. 1.53: Die Wirt-Gast-Komplexe dissoziieren erst durch den Einfluss der Hautfeuchtigkeit und setzen so den Wirkstoff kontrolliert frei
Stabile Anti-Aging-Wirkstoffe dank Cyclodextrin
 
Im Falle des Retinols ergibt sich neben dem Schutz vor Sauerstoff und Licht ein weiterer Vorteil. Der als „Faltenkiller“ eingesetzte Wirkstoff Retinol kann bei einer Menge von 0,1% in einer Creme bereits zu Hautirritationen führen. Ist das Molekül aber durch Cyclodextrin-Moleküle komplexiert, kann der Wirkstoff in wesentlich höherer Konzentration dem Kosmetikartikel zugesetzt werden, ohne Hautirritationen hervorzurufen, da die Freisetzung des Retinols nach und nach erfolgt. So kann die Wirksamkeit des Anti-Aging-Produkts deutlich erhöht werden.
Abb. 1.54: Cremes, die den Retinol-Cyclodextrin-Komplex enthalten, sind bereits auf dem Markt Abb. 1.55: Das Retinol-Molekül wird von zwei γ-Cyclodextrin-Molekülen komplexiert
Anfangweiter Da die Cyclodextrin-Moleküle das Wirkstoffmolekül Retinol verpacken, werden die Cyclodextrine auch als „kleinste Kosmetikkoffer der Welt“ bezeichnet. Die Gast-Komponente Retinol erfordert einen solchen Schutz, da sie sich schnell zersetzt. Gelangt Retinol auf die Haut, dann sorgt es dort für die Stimulierung der Zellproduktion und unterstützt die Abstoßung abgestorbener Hautzellen. Durch den angekurbelten Zellerneuerungsprozess weist die Haut weniger Falten auf.
Abb. 1.56: Vitamin E fungiert als Radikalfänger und unterbindet so die beschleunigte Hautalterung Abb. 1.57: Aufgrund der Abnahme der Ozonschicht gelangen mehr UV-Strahlen auf unsere Haut, die die Bildung von Radikalen fördern

Ein weiterer wichtiger Anti-Aging-Wirkstoff ist das Vitamin E (Tocopherol). Wie auch das Retinol ist Tocopherol für die Komplexierung in Cyclodextrinen sehr gut geeignet. Denn die lipophilen Substanzen können in dem hydrophoben Hohlraum der Cyclodextrin-Moleküle gut komplexiert werden. Auch das Vitamin E greift in den Prozess der Hautalterung ein, indem es Radikale abfängt, die beim Zusammenwirken von Sauerstoff, reaktionsfreudigen Verbindungen und UV-Strahlung entstehen.

Die Radikale setzen Reaktionen in Gang, bei denen die Zellmembranen beschädigt werden. So kann Wasser leichter durch die Zellwände diffundieren. Das Wasserbindevermögen nimmt ab, so dass die Haut trocken und faltig wird. Bei den ablaufenden Reaktionen werden auch die Collagenfasern der Haut verändert, wodurch die Haut an Elastizität einbüßt. Die Belastung der Haut hat durch die veränderten Klimabedingungen in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, so dass Anti-Aging-Wirkstoffe in Kosmetikartikeln für jedes Alter eingesetzt werden.

Die Verbesserung der Stabilität des empfindlichen Vitamin E im Wirt-Gast-Komplex reicht soweit, dass man metallische Oberflächen bei Temperaturen von 220° C mit einer Vitamin E-haltigen Schicht versehen kann. So behandelte Rasierklingen geben während der Rasur das pflegende Tocopherol ab. In Abb. 1.58 wird durch Verblassen der roten Farbe verdeutlicht, dass auf einer Rasierklinge, die mit einem Gemisch aus Vitamin E und γ-Cyclodextrin behandelt wurde (untere Rasierklinge), der Tocopherol-Gehalt wesentlich langsamer abnimmt als bei einer Rasierklinge, die nur mit Tocopherol versehen wurde (obere Rasierklinge).

Abb. 1.58: Die Rasierklinge gibt während der Rasur pflegendes Vitamin E an die Haut ab
Anfangweiter Der bekannteste Wirkstoff in Anti-Aging-Produkten ist sicherlich das Coenzym Q10. Das Coenzym wird auch als Ubichinon bezeichnet, da das Enzym vom Körper selbst hergestellt wird und im ganzen Körper – also ubiquitär – vorhanden ist, wo es eine wichtige Rolle bei der Zellatmung einnimmt. Es regt den Energiestoffwechsel der Haut an. Außerdem ist es wie das Vitamin E ein Radikalfänger. Wenn der Q10-Spiegel im Alter abnimmt, kann durch zusätzliche Aufnahme der Energiestoffwechsel wieder angekurbelt werden, was der Hautalterung entgegenwirkt. Die Aufnahme kann über die Haut mit Kosmetikprodukten erfolgen. In den USA sind aber auch schon Nahrungsergänzungsmittel mit dem Coenzym Q10 auf dem Markt. Eine Einnahme von reinem Coenzym Q10 ist wegen der geringen Stabilität nicht möglich, weiterhin erschwert die schlechte Wasserlöslichkeit die Anwendung und Aufnahme des Wirkstoffes. Durch die Komplexierung in Cyclodextrinen entsteht eine Dispersion, aus der das Coenzym Q10 besser im Körper aufgenommen werden kann.
Abb. 1.59: Das Coenzym Q10 bildet in Wasser ölartige Klumpen, die eine Anwendung in Produkten auf Wasserbasis unmöglich machen
Anfangweiter Vielfalt der Cyclodextrin-Komplexe

Die Cyclodextrine kommen in der Kosmetikbranche aber nicht nur als beladene Komplexe zum Einsatz. In Selbstbräunern können die Cyclodextrin-Moleküle bei der Bräunung entstehende, unangenehme Gerüche komplexieren. Dazu werden dem Selbstbräuner 1,5 % γ-Cyclodextrin zugesetzt. Bei anderen Anwendungen von Kosmetikartikeln stehen vor allem die Gerüche und desodorierenden Eigenschaften von Gast-Komponenten im Vordergrund. Dazu findet man in der Produkt-Palette von WACKER Cyclodextrin-Komplexe. Die Vorteile der Komplexierung und die Wirkung der Gast-Komponenten sind in Tab. 1.9 zusammengefasst.

Komplex

Vorteil durch die Komplexierung

Wirkung des Gastes

Citral-β-Cyclodextrin

Reduzierte Flüchtigkeit und kontrollierte Freisetzung des Citrals

Verlängerung der Duftfreisetzung

Farnesol-β-Cyclodextrin

Stabilisierung des Farnesols, Maskierung des Geruches von Farnesol

antibakterielle Wirkung z.B. in Deodorants

Teebaumöl-β-Cyclodextrin

Reduzierte Flüchtigkeit des Terpinen-4-ols, kontrollierte Freisetzung, Entfernung des herbalen, harzigen Geruchs

Breitband-Antimikrobiotikum

Menthol-β-Cyclodextrin

Reduzierte Flüchtigkeit und kontrollierte Freisetzung des Menthols, Verbesserung der Wasserlöslichkeit

Verlängerung der Duftfreisetzung, Kühlmittel

Tab. 1.9: Übersicht über weitere Cyclodextrin-Komplexe der Wacker Chemie AG

Bei Textilien nutzt man die Komplexbildungsfähigkeit der Cyclodextrine und die Möglichkeit der kontrollierten Freisetzung von Gast-Komponenten. Denn auch Cyclodextrin-Moleküle, die über ein Ankermolekül an Textilfasern gebunden sind, können mit Wirkstoffen oder Aromastoffen beladen werden. So könnten die Cyclodextrin-Moleküle auf der Textilfaser zunächst mit Farnesol beladen sein, das beim Tragen der Textilie und vor allem beim Schwitzen freigesetzt wird und seine desodorierende Wirkung entfaltet, während die freien Cyclodextrin-Moleküle Bestandteile des Schweißes aufnehmen und die Geruchsbildung auf diese Weise unterbinden.

Literatur:

  • Regiert, M.; Cyclodextrine: Zucker für das Anti-Aging; WACKER WORLD WIDE CORPORATE MAGAZINE 3/2002, 2002, 22-25
  • Regiert, M.; Moleküle gut verpackt; WACKER WORLD WIDE CORPORATE MAGAZINE/2.6, 2006, 22-25
  • Wacker Chemie AG; Cyclodextrins in personal care: The world’s smallest beauty case (www.wacker.com/internet/webcache/de_DE/_Downloads/cyclodextrins_ prersonalcare_en.pdf)
  • Gröger, M.; Kretzer, E.K.; Woyke, A.; Reader mit Hintergrundinformationen zum Thema Cyclodextrine, 2001
Anfang