Anfangweiter 1. Cyclodextrine in Textilerfrischern
Die Wirkung von Textilerfrischern ist auf die Verwendung von Cyclodextrinen zurückzuführen, denn in den flüssigen Textilerfrischern sind Cyclodextrine enthalten, die durch Aufsprühen der Lösung auf Textilien Gerüche wie Zigarettenrauch, Küchendunst, Hundegeruch und Schweißgeruch entfernen.
Abb. 1.31: Die meisten Textilerfrischer enthalten Cyclodextrine
Abb. 1.32: Um die Geruchsbildung schon in der Entstehung zu unterbinden, müssen die Cyclodextrine auf der Textilfaser gebunden werden
Man kann damit also sowohl die Essensgerüche in Gardinen, unangenehme Gerüche in Kleidung und Sitzmöbeln als auch Schweißgerüche in Sporttextilien maskieren.
Bei der nächsten Wäsche werden die Cyclodextrin-Komplexe mit den eingeschlossenen Geruchsstoffen von der Textiloberfläche abgewaschen, so dass die Textilerfrischer immer wieder neu angewendet werden müssen. Um einen anhaltenden Effekt zu erzielen, müssten die Cyclodextrine auf der Textiloberfläche gebunden werden. So würde das Trikot schon während des Volleyballspiels die entstehenden Gerüche binden. Für die Umsetzung dieser Idee wird ein reaktives Derivat des β-Cyclodextrins verwendet, das über eine aktive Gruppe eine kovalente Bindung zur Faser ermöglicht.
Anfangweiter 2. Cyclodextrine in der Textilausrüstung
Um die geruchsbindende Eigenschaft der Cyclodextrine auf Textilien dauerhaft nutzen zu können, müssen Cyclodextrin-Moleküle auf der Textilfaser verankert werden, damit sie beim Waschvorgang nicht gelöst werden können.
Abb. 1.33: Unter dem Namen CAVATEX® vermarktet WACKER innovative Hilfsmittel zur funktionellen Textilausrüstung mit Cyclodextrinen
Da die natürlichen Cyclodextrine nicht direkt an die Textiloberfläche gebunden werden können, ist eine Funktionalisierung der Cyclodextrine erforderlich. Als Ankermolekül für die kovalente Bindung zu Cellulose-Fasern wird Cyanurchlorid (siehe Abb. 34) verwendet, das unter alkalischen Bedingungen zunächst zum Dichlorotriazinyl-Natrium-Salz reagiert.
Abb. 1.34: Cyanurchlorid wird vor der Reaktion mit β-Cyclodextrin in das Dichlortriazinyl-Natrium-Salz überführt
AnfangweiterIn einem zweiten Schritt reagiert das Ankermolekül Dichlortriazinyl mit einer Hydroxygruppe des β-Cyclodextrin-Moleküls in einer nucleophilen Substitutionsreaktion unter Wasserabspaltung.
Abb. 1.35: In einer Eintopf-Reaktion wird mit hoher Ausbeute das reaktive Derivat des β-Cyclodextrins, das Monochlortriazinyl-β-Cyclodextrin, hergestellt.
Die C-Cl-Bindung im Monochlortriazinyl-β-Cyclodextrin ist so stark polarisiert, dass das Kohlenstoff-Atom durch ein Sauerstoff-Atom einer Hydroxygruppe aus einem Cellulose-Molekül angegriffen werden kann.
Abb. 1.36: Ausschnitt aus einem Cellulose-Molekül
Auf diese Weise wird das β-Cyclodextrin mit Hilfe des Ankermoleküls an der Cellulosefaser gebunden (siehe Abb. 37).
Abb. 1.37: Die kovalente Bindung zur Cellulose-Faser erfolgt in einer Kondensationsreaktion unter Abspaltung von Chlorwasserstoff
Anfangweiter In der industriellen Herstellung der mit β-Cyclodextrin ausgerüsteten Textilien kann der Prozess kontinuierlich gefahren werden. Die Textilbahn wird durch ein Bad mit dem reaktiven Monochlortriazinyl-β-Cyclodextrin gezogen, das beim Durchlaufen eines Heizblockes auf der Textilfaser kovalent gebunden wird.
Abb. 1.38: Technisch wird die Ausrüstung von Baumwollstoff mit Monochlorotriazinyl-β-Cyclodextrin in einem kontinuierlichen Verfahren durchgeführt

Im Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW) werden Verfahren zur Textilausrüstung mit Cyclodextrinen erforscht und getestet. Um die Funktionalisierung einer Textiloberfläche mit Cyclodextrinen quantitativ nachzuweisen, entwickelten die Forscher eine analytische Methode, bei der die Fähigkeit der Cyclodextrine zur Komplexbildung genutzt wird.

Abb. 1.39: Im Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West werden Verfahren zur Textilausrüstung mit Cyclodextrinen entwickelt und getestet
AnfangweiterBei der analytischen Methode zur Bestimmung der Beladungsdichte mit Cyclodextrinen nutzt man die Bildung eines farblosen Cyclodextrin-Komplexes mit Phenolphthalein. Dazu wird eine Textilprobe mit einer alkalischen, magentafarbenen Phenolphthalein-Lösung bestimmter Konzentration versetzt. Aufgrund der Komplexierung des Phenolphthalein-Dianions im Cyclodextrin-Molekül nimmt die Farbintensität der Lösung ab. Von der überstehenden Lösung wird in einem UV-VIS-Spektrometer die Absorption gemessen. Mit Hilfe einer Kalibriergeraden kann die Konzentration des Phenolphthalein-Dianions in der Lösung bestimmt werden. Über den Konzentrationsunterschied im Vergleich zur Phenolphthalein-Lösung zu Beginn kann auf die Beladung der Textilie mit Cyclodextrinen geschlossen werden.
Abb. 1.40: Pipettiert man eine alkalische Phenolphthalein-Lösung auf eine behandelte (links) bzw. unbehandelte Baumwollprobe (rechts), so kann man die Ausrüstung der Faser mit Cyclodextrinen durch die Entfärbung nachweisen
Die ausgerüsteten Textilien absorbieren unangenehme Gerüche wie Zigarettenrauch oder Tiergerüche durch Bildung von Wirt-Gast-Komplexen der Cyclodextrin-Moleküle mit den Molekülen der entsprechenden Geruchsstoffe.
Abb. 1.41: Schon im Jahr 2001 kamen mit Cyclodextrinen ausgerüstete Herrenanzüge auf den Markt

Außerdem können durch Komplexierung wesentlicher Bestandteile des Schweißes mikrobiologische Prozesse unterbunden werden, so dass der Schweißgeruch gar nicht erst entsteht. Die eingeschlossenen Verbindungen werden beim Waschen aus den Cyclodextrin-Molekülen entfernt, so dass die verankerten Cyclodextrin-Moleküle erneut zur Geruchsabsorption zur Verfügung stehen.

Abb. 1.42: Schematische Darstellung der Wirkungsweise bei der Maskierung unerwünschter Gerüche bzw. bei der Freigabe eines eingeschlossenen Wirkstoffes
Die auf der Textilfaser verankerten Cyclodextrine können aber auch gezielt mit duftenden oder hautpflegenden Substanzen beladen werden. Da für die Dissoziation dieser Wirt-Gast-Komplexe Feuchtigkeit erforderlich ist, werden die Gast-Moleküle erst freigesetzt, wenn man schwitzt oder wenn man ein behandeltes Handtuch zum Abtrocknen verwendet. So erreicht man eine kontrollierte Freisetzung der Gast-Komponenten.
Abb. 1.43: Erst bei Berührung des Stoffbären werden Duftstoffe aus den Cyclodextrin-Molekülen freigesetzt

Literatur:

  • Wacker Chemie AG; Beta W7 MCT – New ways in surface modification
  • (www.wacker.com/internet/webcache/de_DE/PTM/BioTec/Cyclodextrins/ Derivatives/mct-new_ways.pdf)
  • Tausch, M.; von Wachtendonk, M.; Chemie 2000+ Band 3; C.C. Buchner Bamberg, 2005, S. 128
  • Buschmann, H.-J.; Frische Brise aus der Kneipe; WACKER WORLD WIDE CORPORATE MAGAZINE 3-01, 2001, 14-17
  • Wacker Chemie AG; CAVATEX® Textilausrüstung mit Cyclodextrinen
  • (www.wacker.com/internet/webcache/de_DE/_Downloads/ CAVATEX_TextFinish_Cyclo_DE.pdf))
  • Knittel, D.; Thoms, G.; Buschmann, H.-J., Schollmeyer, E.; Melliand Textilberichte; 6, 2005, 463-464
Anfang