Anfangweiter3. Physikalische Eigenschaften
Abb. 1.15: Molekülstruktur der drei natürlichen Cyclodextrine
Die Molekülstruktur der Cyclodextrine weist eine interessante Architektur auf, die auch der Grund für das große Interesse an den cyclischen Oligosacchariden ist. Die dreidimensionale Form kann mathematisch als offener Kegelstumpf bezeichnet werden. Die Umschreibung als „molekulare Zuckertüte“ bezieht sich auf die Zusammensetzung eines Cyclodextrin-Moleküls aus mehreren Glucose-Einheiten, während das Bild des „kleinsten Kosmetikkoffers der Welt“ schon auf die Verwendung der Cyclodextrine in der Kosmetik hinweist.

Molare Masse

Höhe der Kavität

Durchmesser der Kavität

Außendurchmesser

α-Cyclodextrin

  972 g/mol

0,79 nm

0,47 – 0,53 nm

1,46 +- 40 nm

β-Cyclodextrin

1135 g/mol

0,79 nm

0,60 – 0,65 nm

1,54 +- 40 nm

γ-Cyclodextrin

1297 g/mol

0,79 nm

0,75 – 0,83 nm

1,75 +- 40 nm

Tab. 1.2: Ausmaße der Kavitäten bei Cyclodextrin-Molekülen
AnfangweiterIn der Tab. 1.2 sind die Ausmaße der drei natürlichen Cyclodextrine α-Cyclodextrin, β-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin aufgeführt, die aus sechs, sieben und acht Glucose-Einheiten aufgebaut sind, die durch α-1,4-glykosidische Bindungen untereinander verknüpft sind.
Abb. 1.16: Molekülstruktur von β-Cyclodextrin, Querschnitt durch ein Cyclodextrin-Molekül mit der Anordnung einer Glucose-Einheit und Darstellung als Konus mit hydrophiler Außenseite und hydrophobem Hohlraum
Anfangweiter Aufgrund der Lage der Glucose-Bausteine im Cyclodextrin-Molekül und vor allem durch die primären Hydroxygruppen, die wegen der freien Drehbarkeit des Kohlenstoff-Atoms 6 zeitweilig zum Hohlraum ausgerichtet sind, ergibt sich die kegelförmige Struktur. Die am oberen, weiteren Rand des Cyclodextrin-Moleküls liegenden sekundären Hydroxygruppen sind nicht beweglich, so dass das Cyclodextrin-Molekül nur im unteren Teil enger wird.

Die beschriebene Struktur der Cyclodextrine lässt sich wesentlich besser erschließen, wenn man die räumliche Struktur an einem dreidimensionalen und bewegten Molekülmodell betrachtet (Flash-Animation).

In der Abb. 1.16 kann man erkennen, dass sich die Hydroxygruppen am oberen und unteren Rand des Cyclodextrin-Moleküls befinden. Nach innen ragen nur die Wasserstoff-Atome an den Kohlenstoff-Atomen 3 und 5 (siehe Abb. 1.16) und die Sauerstoffatome der glykosidischen Bindung zwischen zwei Glucose-Einheiten (siehe Abb. 1.17). Da es an der Innenseite des Cyclodextrin-Moleküls keine protischen Wasserstoff-Atome gibt, ist die Innenseite im Vergleich zur Außenseite mit den sekundären und primären Hydroxygruppen hydrophob. Durch die nach innen ragenden Sauerstoff-Atome ist die Elektronendichte im Inneren relativ hoch, so dass der Hohlraum eine weiche Lewis-Base darstellt.

Abb. 1.17: Blick von oben in ein β-Cyclodextrin-Molekül; am oberen Rand befinden sich die sekundären Hydroxygruppen
AnfangweiterDie vielen nach außen gerichteten Hydroxygruppen lassen eine gute Wasserlöslichkeit vermuten. Stellt man allerdings einen Vergleich der Löslichkeiten zu anderen Kohlenhydraten an, so muss man einen erstaunlichen großen Unterschied in den Löslichkeiten feststellen.

Stoff

α-Cyclodextrin

β-Cyclodextrin

γ-Cyclodextrin

Löslichkeit

145 g/L (25°C)

18,5 g/L (25° C)

232 g/L (25°C)

Tab. 1.3: Löslichkeiten von α-Cyclodextrin, β-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin

Stoff

Glucose

Fructose

Saccharose

Stärke

Löslichkeit

820 g/L (25°C)

3750 g/L (20°C)

1970 g/L (15° C)

50 g/L (90°C)

Tab. 1.4: Löslichkeiten von Glucose, Fructose, Saccharose und Stärke
Vergleicht man die Löslichkeiten von α-Cyclodextrin, β-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin, so erkennt man deutliche Unterschiede in den Löslichkeiten, die aber nicht mit der Ringgröße korrelieren. Denn während α-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin ähnliche Löslichkeiten aufweisen, zeigt β-Cyclodextrin eine ungefähr zehnfach geringere Löslichkeit. Diese Unterschiede lassen sich mit Hilfe der Molekülstrukturen erläutern. Bei der gut löslichen Glucose sind in jedem Molekül (siehe Abb. 1.18) fünf Hydroxygruppen vorhanden, die mit dem Lösemittel Wasser Wasserstoffbrückenbindungen eingehen können. Auch in dem Saccharose-Molekül (siehe Abb. 1.18) sind trotz einer α-1,4-glykosidischen Bindung noch acht Hydroxygruppen vorhanden, die für die sehr gute Wasserlöslichkeit des Haushaltszuckers verantwortlich sind. Hinzu kommt die deutlich größere Wasserlöslichkeit der Fructose im Vergleich zur Glucose.
Abb. 1.18: Molekülstruktur verschiedener Kohlenhydrate
AnfangweiterIn dem Cyclodextrin-Molekül bildet jede Glucose-Einheit wie in den Stärke-Molekülen zwei glykosidische Bindungen aus, so dass nur noch drei Hydroxygruppen je Glucose-Einheit Wasserstoffbrückenbindungen zu Wasser-Molekülen aufbauen können. Diese Tatsache kann aber nicht allein für die großen Unterschiede verantwortlich sein. Auch die extrem niedrige Löslichkeit von β-Cyclodextrin kann so nicht erklärt werden. Vielmehr ist die cyclische Struktur Grund für die vergleichsweise geringen Löslichkeiten der Cyclodextrine. Die sekundären Hydroxygruppen an den Kohlenstoff-Atomen 2 und 3 (siehe Abb. 1.19) kommen sich wegen der cyclischen Struktur so nahe, dass es zu intramolekularen Wasserstoffbrückenbindungen kommt.
Abb. 1.19: Intramolekulare Wasserstoffbrückenbindung im β-Cyclodextrin-Molekül
Da das β-Cyclodextrin-Molekül ein recht starres Molekül ist, sind die intramolekularen Wasserstoffbrückenbindungen im β-Cyclodextrin am stärksten ausgebildet. Dass diese intramolekularen Wechselwirkungen tatsächlich für die geringe Wasserlöslichkeit verantwortlich sind, lässt sich nachweisen, indem man im Cyclodextrin-Molekül einige der Hydroxygruppen derivatisiert. Durch Methylierung erhält man das Cyclodextrin-Derivat Methyl-β-Cyclodextrin (siehe Abb. 1.20), von dem sich bei 25° C 800 g/L in Wasser lösen lassen. Je nach Substitutionsgrad der Hydroxygruppen durch Methoxygruppen verbessert sich die Wasserlöslichkeit, bis sie ab einem gewissen Substitutionsgrad wieder abnimmt, da dann nur noch wenige Hydroxygruppen zur Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen vorhanden sind.
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Abb. 1.20: Molekülstruktur von Methyl-β-Cyclodextrin

Neben der vielfach höheren Löslichkeit in Wasser ergeben sich durch die Methylierung weitere Eigenschaftsänderungen. Während die natürlichen Cyclodextrine aufgrund der polaren Molekül-Außenseite in organischen Lösemitteln schlecht löslich sind, bewirkt die Methylierung der Hydroxygruppen eine gute Löslichkeiten in organischen Lösemitteln.

Durch Verdrehung einer Glucose-Einheit im α-Cyclodextrin-Molekül bildet α-Cyclodextrin kein regelmäßiges Sechseck, wodurch die beschriebenen intramolekularen Wasserstoffbrücken nicht vollständig ausgebildet werden können, was zu einer verbesserten Wasserlöslichkeit im Vergleich zu β-Cyclodextrin führt. γ-Cyclodextrin ist wegen der größeren Anzahl der Glucose-Einheiten ein weniger starres Molekül, woraus eine bessere Löslichkeit im Vergleich zu β-Cyclodextrin resultiert.

Literatur:

  • Szejtli, J.; Osa, T.; Comprehensive Supramolecular Chemistry. Volume 3 Cyclodextrins, Elsevier Science Ltd. Oxford, 1996, S. 6-23
  • Bender, M.L.; Komiyama, M.; Reactivity and Structure Concepts in Organic Chemistry. Volume 6 Cyclodextrin Chemistry, Springer-Verlag Berlin, 1978, S. 3-9
  • Wacker Chemie AG; Sicherheitsdatenblatt zu α-Cyclodextrin (www.wacker.com/internet/noc/Products/PT_Bio/P_Bio_Cy/P_Bio_Cy_Par/
    P_Bio_Cyc_NaCyc_SP_W6/)
  • Wacker Chemie AG; Sicherheitsdatenblatt zu β-Cyclodextrin (www.wacker.com/internet/noc/Products/PT_Bio/P_Bio_Cy/P_Bio_Cy_Par/
    P_Bio_Cyc_NaCyc_SP_W7/)
  • Wacker Chemie AG; Sicherheitsdatenblatt zu γ -Cyclodextrin (www.wacker.com/internet/noc/Products/PT_Bio/P_Bio_Cy/P_Bio_Cy_Par/
    P_Bio_Cyc_NaCyc_SP_W8/)
  • Wacker Chemie AG; Sicherheitsdatenblatt zu Methyl-β-Cyclodextrin (www.wacker.com/internet/noc/Products/PT_Bio/P_Bio_Cy/P_CycDer/P_CycDer_ SP_W7M/)
  • Liste zur Einstufung von Chemikalien gemäß der Gefahrstoffverordnung - Soester Liste, Version 2.7
  • Wacker Fine Chemicals; CAVAMAX® Cyclodextrins in personal care: The world’s smallest beauty case (www.wacker.com/internet/webcache/de_DE/_Downloads/ cyclodextrins_prersonalcare_en.pdf)
  • Woyke, A.; „Cyclodextrine“ – Molekulare Zuckertüten. Ein Chemie-Praktikum für die 13. Klasse, Siegen
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