Anfangweiter Hochdisperse Kieselsäure für thixotrope Flüssigkeiten

Was haben hochdisperse Kieselsäuren (HDK®) mit den Siliconen zu tun? Einerseits dient HDK® dazu, die gewünschten Eigenschaften von Siliconen genau einzustellen (vgl. weiter unten). Andererseits ist bei WACKER die Herstellung dieser Produkte eng an die Herstellung von Siliconen gekoppelt. Wenn man die im Produktionsprozess als eher unerwünschte Nebenprodukte anfallenden flüchtigen Chlorsilane (Tetrachlorsilan, Methyltrichlorsilan u.a.) in eine Wasserstoffflamme einleitet, hydrolysieren sie mit dem in situ gebildeten Wasser wobei sich hochdisperse Kieselsäure (= HDK®) bildet, deren Zusammensetzung in guter Näherung mit SiO2 angegeben werden kann:

SiCl4 + 2H2 + O2 ®  SiO2 + 4HCl

Durch kontrollierte Prozessführung und kurze Kontaktzeit in der Flamme entsteht die Kieselsäure in Form von Nanopartikeln. Da diese synthetische Kieselsäure in einer Flamme gebildet wird und ein weißes Pulver ist, wird sie auch als weißer Russ bezeichnet. Auf ihre Struktur und ihre Eigenschaften wird weiter unten eingegangen.
Zunächst wird erläutert, was thixotrope Materialien sind:
Anfangweiter Farben müssen beim Verstreichen leichtflüssig sein um gut zu verlaufen, sollten aber im Ruhezustand möglichst rasch an Zähigkeit zunehmen, damit es zu keiner Tropfen- und Tränenbildung an der bestrichenen Oberfläche kommen kann. Systeme mit solchen Eigenschaften bezeichnet man als thixotrope Flüssigkeiten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Viskosität beim Rühren oder Schütteln mit gewisser Zeitverzögerung ab- oder zunimmt. Ein sehr bekanntes Beispiel für eine thixotrope Flüssigkeit ist Ketchup. Darin sind ebenso wie in vielen anderen Nahrungs- und Körperpflegemitteln Thixitropierungsmittel als Verdickungsmittel enthalten.

Siliconkautschuk, der für die Kabelisolierung von Metalldrähten und Glasfasern eingesetzt wird, kann bis zu 40% hochdisperse Kieselsäure enthalten. Hier sorgt die HDK® dafür, dass der vulkanisierte Siliconkautschuk zu einem elastischen Material mit ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften wird.

Mit pyrogener Kieselsäure lässt sich die Fließfähigkeit von Farben und Lacken exakt steuern. HDK® wird daher als Rheologie-Additiv in modernen Lacken und Farben eingesetzt.

Anfangweiter In Fugendichtungsmassen dient HDK® als aktiver Füllstoff. In Feuerlöschpulvern stellt HDK® die Rieselfähigkeit sicher und in Zahnpasten die gewünschte Konsistenz.
In modernen Laserdruckern wird zunächst ein latentes, unsichtbares Bild mit Licht auf einen elektrisch geladenen Photoleiter geschrieben. Die  Pulverteilchen des Toners müssen die Ladungsunterschiede im latenten Bild „spüren“ und sich nur an bestimmten Stellen absetzen, an anderen nicht.  Als Ergebnis entsteht das Pulverbild, das dann in einem weiteren Schritt auf das Papier übertragen und anschließend fixiert wird. An die Fließfähigkeit sowie an die elektrischen und thermischen Eigenschaften des Toners werden hohe Ansprüche gestellt. Pyrogene Kieselsäure HDK® wird dem Toner in kleinen Mengen zugesetzt um die Fließfähigkeit des Toners zu regulieren. HDK® ist also gewissermaßen der Tuner im Toner von Laserdruckern.
Anfangweiter Struktur und Eigenschaften der hochdispersen Kieselsäure
Hochdisperse Kieselsäure ist ein sehr effizientes Thixotropierungsmittel. Diese Eigenschaft beruht auf ihren strukturellen Merkmalen. Obwohl sie im Wesentlichen die gleiche Zusammensetzung wie Sand und Quarz hat, gibt es dazu strukturelle Unterschiede. Der folgende Ausschnitt aus dem Atomgitter des Siliciumdioxids zeigt, dass darin jedes Silicium-Atom von vier kovalent gebundenen Sauerstoff-Atomen umgeben ist:
Anfangweiter Während im Sand und Quarz diese SiO4-Tetraeder regelmäßig zu einem dreidimensionalen Kristallgitter angeordnet sind, bilden sie in einem Primärteilchen der hochdispersen Kieselsäure ein ungeordnetes amorphes System. Ein Primärteilchen enthält etwa 10 000 SiO2-Einheiten und ist ein so genanntes Nanopartikel mit Durchmessern zwischen 5 und 30 nm (1 nm = 10-9 m). Die nach außen gerichteten Sauerstoff-Atome sind an Wasserstoff-Atome gebunden. Ein Primärteilchen ist also wie ein Igel mit Stacheln aus -OH Gruppen. Diese Gruppen verleihen der Oberfläche eines Primärteilchens einen hydrophilen Charakter, weil sie mit Wasser-Molekülen Wasserstoffbrückenbindungen eingehen können. Sie verursachen aber auch, dass im Ruhezustand viele Primärpartikel über Wasserstoffbrückenbindungen zu größeren dreidimensionalen Netzwerken zusammenlagern (Aggregate aus Nanopartikeln):
Im Zwischenkornvolumen dieser Aggregate können Flüssigkeiten oder Gase gespeichert und weitgehend immobilisiert werden. Wenn die Flüssigkeit Wasser oder eine wässrige Lösung ist, kommt es zwischen den Wasser-Molekülen und den -OH Gruppen von der Oberfläche der Kieselsäurepartikel zur Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen. Makroskopisch ist das System in diesem Zustand zähflüssig bis fest. Bei mechanischer Beanspruchung, beispielsweise durch Schütteln oder Rühren, wird das Aggregat aus Nanopartikeln der Kieselsäure vorübergehend gestört. Dabei brechen die Wasserstoffbrückenbindungen, die vorher die Partikel zusammenhielten, teilweise auf. Makroskopisch wird das System leichtflüssig (thixotroper Effekt). Je länger die äußere Kraft einwirkt, desto mehr Verknüpfungsstellen brechen auf, desto "flüssiger" wird das Material. Nachdem die Kraft aufgehört hat einzuwirken, bilden sich erneut dreidimensionale Aggregate, das Material wird wieder zähflüssig bis fest (vgl. Skizze oben).
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