Anfangweiter 1. Vom Rohstoff Mais zu den Cyclodextrinen
Der Abbau von Stärke durch Enzyme führt über Dextrin, einem Gemisch aus Polysacchariden mit niedriger Molekülmasse, bis zu Oligosacchariden mit wenigen Glucose-Einheiten und letztendlich bis zur Glucose. Für diesen Abbau ist das Enzym α-Amylase verantwortlich, das auch im menschlichen Speichel enthalten ist. Die cyclischen Oligosaccharide, die Cyclodextrine, entstehen zwar auch durch enzymatischen Abbau von Stärke, aber die dafür notwendigen Enzyme gehören der Familie der  Cyclodextringlycosyltransferasen (CGTasen) an. Zum Beispiel produzieren die Bakterienstämme Bacillus macerans, Klebsiella oxytoca, Bacillus circulans  Cyclodextringlycosyltransferasen.
Abb. 1.1: Aus dem Rohstoff Mais gewinnt man die für die Cyclodextrinproduktion notwendige Stärke
Anfangweiter 2. Industrielle Produktion der Cyclodextrine
Für die industrielle Herstellung werden also neben den aus den Bakterien isolierten Enzymen große Mengen Maisstärke benötigt. Das weltweit agierende Unternehmen Wacker Chemie AG produziert seit Anfang der 1980er Jahre Cyclodextrine.
In der neuesten Produktionsanlage von WACKER für Cyclodextrine in Eddyville im US-Staat Iowa werden Cyclodextrine seit 1999 hergestellt. Die Nähe zu den Anbauflächen für Mais war entscheidend für die Wahl des Produktionsstandortes, an dem jährlich mehr als 4000 Tonnen Cyclodextrine anfallen.
Abb. 1.2: Die Wacker-Produktionsstätte in Eddyville (USA) liegt in unmittelbarer Nähe zu den Anbauflächen von Mais
Anfangweiter 3. Abbau der Stärke zu α-Cyclodextrin, β-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin
Durch den Einsatz der CGTasen werden die Stärkemoleküle in Segmente zerlegt. Aufgrund der spiralörmig gewundenen Stärke-Moleküle bilden sich zu einem großen Teil Segmente aus sieben, seltener aus sechs oder acht Glucose-Einheiten, die dann unter der für die CGTasen typischen Reaktion zu den cyclischen Oligosacchariden führen. Man erhält also ein Stoffgemisch aus den drei natürlichen Cyclodextrinen α-Cyclodextrin, β-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin mit sechs, sieben bzw. acht Glucose-Einheiten pro Molekül.
Abb. 1.3: Aufgrund der spiralförmig gewundenen Struktur der Stärke entstehen hauptsächlich Cyclodextrine mit 6 – 8 Glucose-Einheiten
Abb. 1.4: Molekülstruktur der natürlichen Cyclodextrine
Bevor man die Cyclodextringlycosyltransferasen näher erforscht hatte, war die Herstellung eines Cyclodextrins mit einem großen Aufwand verbunden, da man das anfallende Stoffgemisch auftrennen musste. Mit dem Enzym, das von dem Bakterienstamm Bacillus macerans gebildet wird, erhält man ein Gemisch der drei Cyclodextrine mit immerhin 51,2% β-Cyclodextrin. Das Cyclodextrin mit sieben Glucose-Einheiten entsteht aus energetischen Gründen in größeren Mengen als α-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin.
Anfangweiter 4. Produktionsschritte der Cyclodextrin-Herstellung

Die technische Produktion der Cyclodextrine lässt sich in vier wichtige Phasen einteilen:

1. Kultivierung der Mikroorganismen, die das CGTase-Enzym produzieren,
2. Isolierung des Enzyms, Aufkonzentrierung und Reinigung,
3. Abbau der Stärke zu den Cyclodextrinen durch die CGTasen und
4. Trennung der Cyclodextrine, Reinigung und Kristallisation.

Die Reaktion findet in einer 30%igen Stärke-Suspension statt. Da diese Stärke-Suspension sehr viskos ist und die Ausbeute an Cyclodextrinen gering ausfallen würde, versetzt man die Suspension zunächst mit α-Amylase, die die Stärke zum Teil hydrolysiert. Die Dauer dieser Behandlung ist so optimiert, dass der Hydrolysegrad der Stärke zur größtmöglichen Ausbeute an Cyclodextrinen führt.

Durch den teilweisen Abbau der Makromoleküle der Stärke ändern sich Löslichkeit und Viskosität. Ist der optimale Hydrolysegrad der Stärke erreicht, wird die Hydrolyse durch Erwärmen gestoppt, da sich das Enzym α-Amylase thermisch zersetzt.

Abb. 1.5: Produktionsschritte der Cyclodextrin-Herstellung

Im nächsten Produktionsschritt (siehe Abb. 1.5) wird die Cyclodextringlycosyltransferase (CGTase) hinzugegeben. Um die Ausbeute eines Cyclodextrins deutlich zu erhöhen, nutzt man die Fähigkeit der Cyclodextrine zur Bildung von sogenannten Wirt-Gast-Komplexen. Die Molekülstruktur der Cyclodextrine weist einen Hohlraum auf, in dem vor allem organische Moleküle komplexiert werden können. Da die Größe dieser Hohlräume bei den drei Cyclodextrinen unterschiedlich ist, gibt es für jedes Cyclodextrin selektiv wirkende organische Reagenzien, die zur Bildung eines schwerlöslichen Komplexes führen. Durch die Ausfällung eines Komplexes mit einem der drei Cyclodextrine wird ein Produkt kontinuierlich aus dem System entfernt. Das gestörte Gleichgewicht strebt durch Nachbildung dieses Produktes wieder den Zustand des Gleichgewichtes an und so kann die Ausbeute eines Cyclodextrins deutlich erhöht werden. Die Bildung eines Feststoffes hat zudem den Vorteil, dass das Produkt durch Filtrieren von der zurückbleibenden Stärke-Lösung abgetrennt werden kann.

Der als Feststoff vorliegende Komplex wird gewaschen und dann wieder in Wasser suspendiert. Die organischen Moleküle, die in den Hohlräumen der Cyclodextrine komplexiert sind, werden durch Wasserdampfdestillation bzw. durch Extraktion mit einem geeigneten organischen Lösemittel wieder entfernt. Daran schließen sich weitere Schritte der Aufarbeitung an (siehe Abb. 1.5).

Abb. 1.6: Durch Komplexbildung während der Cyclodextrinherstellung wird die Ausbeute erhöht
Anfangweiter 5. Herstellung reiner Cyclodextrine

Als Komplexierungsreagenzien bieten sich organische Stoffe an, die nur mit einem der drei Cyclodextrine einen Komplex eingehen. Aber nicht nur die Fähigkeit zur Bildung eines schwerlöslichen Komplexes ist entscheidend für die Wahl der Komplexierungsreagenzien. Um reine Cyclodextrine produzieren zu können, muss die Dissoziation des Komplexes durch Wasserdampfdestillation bzw. Extraktion vollständig erfolgen.

Zur Produktion des kleinsten der drei Cyclodextrine, α-Cyclodextrin wird 1-Decanol als Komplexierungsreagenz verwendet, während β-Cyclodextrin durch Zugabe von Toluol in einen wasserunlöslichen Komplex überführt wird. Für γ-Cyclodextrin verwendet man das im Vergleich zu den anderen deutlich größere Molekül Cyclohexadec-8-en-1-on als Gastmolekül.

Abb.1.7: Komplexierungsreagenzien für die Ausfällung eines Cyclodextrins als festen Komplex
Lange Zeit war es nur über die Komplexbildung möglich, die Ausbeute eines Cyclodextrins zu erhöhen, da das Enzym die Bildung aller drei Cyclodextrine katalysiert. Durch Aufklärung der DNA-Sequenz in den CGTasen konnten selektive Cyclodextringlycosyltransferasen (also α-CGTase, β-CGTase und γ-CGTase) isoliert werden, wodurch die Ausbeute noch erhöht werden kann. Gemeinsam mit den optimalen Komplexierungsreagenzien konnte so die Produktion aller drei natürlichen Cyclodextrine mit nahezu 100%iger Ausbeute realisiert werden.
Abb. 1.8: Spezifische Enzyme ermöglichen die Herstellung reiner Cyclodextrine

Literatur:

  • Szejtli, J.; Osa, T.; Comprehensive Supramolecular Chemistry. Volume 3 Cyclodextrins, Elsevier Science Ltd. Oxford, 1996, S. 41-56
  • Szejtli, J.; Chem. Rev., 1998, 98, 1743-1753
  • Morrison, R. T.; Boyd, R. N.; Lehrbuch der Organischen Chemie; VCH Verlagsgesellschaft mbH, 1986, S. 1238
  • Toth, B.; Ausgezeichnete Technologien; WACKER WORLD WIDE CORPORATE MAGAZINE 3.5, 2005, 28-33
  • Reuscher, H.; Flexible Bausteine für eine gesunde Ernährung; WACKER WORLD WIDE CORPORATE MAGAZINE 2.4, 2004, 23-25
  • Regiert, M.; Cyclodextrins: Anti-Aging Sugars; WACKER WORLD WIDE CORPORATE MAGAZINE 3/2002, 2002, 22-27
  • Gröger, M.; Kretzer, E.K.; Woyke, A.; Reader mit Hintergrundinformationen zum Thema Cyclodextrine, Siegen, 2001, S. 5
  • Unter http://www.xray.chem.rug.nl/Projects/Carbobind/Cgtadyn.htm findet man eine Computersimulation zum Mechanismus der Cyclodextrinbildung durch Cyclodextringlycosyltransferase.
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