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UV-Strahlenbeständigkeit von Silicongummi im
Vergleich zu anderen Elastomeren |
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Materialien, Chemikalien, Zeitbedarf |
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- Quecksilberhochdruckbrenner TQ 150 mit Kühlschacht aus Quarz
z.B. von der Fa. Hanau (vgl. Spektrum dieser Lampe in der Tabelle)
- Pappkarton
- Federwaage + Quetsche
- Tesafilm
- Hebebühne
- Glasstab
- Petrischale
- Mikroskop
- Teppichmesser
- Stoppuhr
- verschiedene Gummiproben, z.B. Fahrradschlauch, Gummischlauch (Laborschlauch),
Naturlatex
- verschiedene Silicongummiproben aus dem WACKER-Schulversuchskoffer,
z.B. HTV.
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Für Vorbereitung und Untersuchung einer
einzelnen Probe ist mit ca. 15 Minuten zu rechnen. Die Bestrahlung an sich
dauert noch einmal 30 Minuten. Insgesamt sollte pro Probe eine ¾
Stunde eingeplant werden. |
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Versuchsdurchführung und -beobachtung |
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Offene UV-Strahlung ist unbedingt zu vermeiden,
da das emittierte Licht Augen und Haut in kurzer Zeit schädigen kann.
Bei der Bestrahlung kann Ozon entstehen. Beim Arbeiten mit der angegebenen
Quarzlampe muss daher im Abzug und mit UV-Schutz (durch Abdeckung mit einem
Pappkarton oder mit Aluminiumfolie) gearbeitet werden! |
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 Die
Versuchsapparatur wird gemäß der oben angegebenen Versuchsskizze
im Abzug aufgebaut. Die Petrischale wird mithilfe des Laborboys so nah wie
möglich an die Strahlungsquelle heran gebracht. Um vergleichbare Ergebnisse
zu erhalten, wird dieser Abstand (Petrischale zu Strahlungsquelle) während
der gesamten Versuchssequenz nicht mehr verändert.
Die Apparatur wird während der Bestrahlung mit einem zurecht geschnittenen
Pappkarton abgedeckt.
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Vor der Bestrahlung werden die verschiedenen Elastomerproben
in Form eines Rechtecks zurecht geschnitten und die Reißfestigkeit
der Proben wird qualitativ mit der Hand und bei einer Zugkraft von 10
N untersucht.
Dann wird der Prüfkörper mit Hilfe von Tesa-Streifen bei einer
Zugkraft von 10 N an den Glasstab befestigt. Diesen legt man mit dem Prüfkörper
nach oben auf die Petrischale (vgl. rechtes Foto + Skizze). Nun wird die
Elastomerprobe 30 Minuten lang bestrahlt und anschließend auf mechanische,
makroskopische und mikroskopische Veränderungen hin untersucht.
Dieser Vorgang wird analog mit den verschiedenen Proben wiederholt. |
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Bei mehreren Referenzversuchen wurden folgende reproduzierbare
Beobachtungen gemacht: |
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 1)
Naturlatex: (Kraft = 1 N, Breite = ca. 1 cm)
Die Naturlatexprobe wurde nur mit einer Zugkraft von 1 N gespannt, da sonst
die Probe zu lang wird.
Durch die Bestrahlung werden die Eigenschaften des Naturgummis stark verändert.
Makroskopisch reißt die Probe unter der Belastung und färbt sich
weißlich. Die Oberfläche der Probe wird klebrig.
Unter dem Mikroskop kann beobachtet werden, dass durch die Bestrahlung eine
netzartige Struktur aus schwarzen Linien entstanden ist (vgl. Foto 2).
Vor der Bestrahlung war die Probe bis auf einige Schmutzteilchen transparent
(vgl. Foto1). |
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 2)
Fahrradschlauch: (Kraft = 10 N, Breite = ca. 0,9 cm)
Bei der 30 minütigen Bestrahlung der Fahrradschlauchproben konnten
keine makroskopischen, mikroskopischen (vgl. Fotos 3 und 4) oder mechanischen
Veränderungen beobachtet werden. |
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Die Unterschiede in der Helligkeit
der beiden Fotos sind auf unterschiedliche Lichtintensitäten bei der
Aufnahme der Fotos zurückzuführen.
3) Silicongummi HTV(b): (Kraft = 10 N, Breite = ca.
0,5 cm)
Bei der 30 minütigen Bestrahlung der HTV(b)-Proben
konnten keine makroskopischen, mikroskopischen oder mechanischen Veränderungen
beobachtet werden.
Leider konnten keine mikroskopischen Bilder aufgenommen werden, da aufgrund
der Beschaffenheit der Proben kein scharfes Bild erzielt werden konnte.
 4)
Silicongummi HTV(s): (Kraft = 10 N, Breite = ca. 0,5 cm)
Bei der 30 minütigen Bestrahlung der HTV(s)-Proben
konnten keine makroskopischen, mikroskopischen (vgl. Fotos 5 und 6) oder
mechanischen Veränderungen beobachtet werden.
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Das unterschiedliche Aussehen der
beiden Mikroskopaufnahmen kann mit Unterschieden in der Lichtintensität
und mit der durch das Zuschneiden entstandenen unterschiedlichen Struktur
(parallel verlaufende Streifen) erklärt werden. Die unter dem Mikroskop
erkennbaren Streifen waren bereits vor der Bestrahlung vorhanden und sind
durch das Schneiden der Probe entstanden.
 5)
Silicongummi HTV(w): (Kraft = 10 N, Breite = ca. 0,5 cm)
Bei der 30 minütigen Bestrahlung der HTV(w)-Proben
konnten keine makroskopischen, mikroskopischen (vgl. Fotos 7 und 8) oder
mechanischen Veränderungen beobachtet werden.
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Das unterschiedliche Aussehen der beiden Mikroskopaufnahmen
kann mit Unterschieden in der Lichtintensität und mit der durch das
Zuschneiden entstandenen unterschiedlichen Struktur erklärt werden.
Die unter dem Mikroskop erkennbaren Streifen waren bereits vor der Bestrahlung
vorhanden und sind durch das Schneiden der Probe entstanden.
 6)
Gummischlauch (Laborschlauch): (Kraft = 10 N, Breite = ca. 1 cm)
Bei der Bestrahlung der Gummischlauchproben wurden
unterschiedliche Ergebnisse beobachtet. In der Mehrzahl der Versuche veränderte
sich die mikroskopische Struktur der Proben durch die Bestrahlung dahingehend,
dass nach der Bestrahlung Längslinien und eine angedeutete Gitterstruktur
zu erkennen sind (vgl. Fotos 9 und10).
In einigen Fällen konnten jedoch keine Veränderungen beobachtet
werden.
Bei allen untersuchten Gummischlauchproben wurden weder makroskopische
noch mechanische Veränderungen festgestellt.
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Ein möglicher Grund für die abweichenden
Beobachtungen kann in den unterschiedlichen Zugspannungen der einzelnen
Proben gefunden werden. Da die Größe der Proben nicht exakt gleich
ist und der Tesafilm etwas nachgibt, weicht die Zugkraft zwischen den einzelnen
Proben immer ein wenig ab und entspricht nur ungefähr 10 N.
Bei einer näheren Untersuchung wurde festgestellt, dass die mikroskopisch
feststellbaren Veränderungen stark vom Abstand zwischen der Probe und
der Strahlungsquelle abhängt.
 Die
Versuchsergebnisse sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
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Probe |
Beobachtung
bei 30 minütiger Bestrahlung |
Latex |
Naturgummi wird von UV-Strahlung
in seinen makroskopischen, mikroskopischen und mechanischen Eigenschaften
stark verändert. |
Fahrradschlauch |
Keine erkennbaren Veränderungen |
Gummischlauch
(Laborschlauch) |
Beim Gummischlauch sind
mikroskopische Veränderungen zu beobachten. Die makroskopischen und
mechanischen Eigenschaften bleiben dagegen unverändert. |
HTV(b) |
Keine erkennbaren Veränderungen |
HTV(s) |
Keine erkennbaren Veränderungen |
HTV(w) |
Keine erkennbaren Veränderungen |
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 3
Versuchsauswertung
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Die erhaltenen Versuchsergebnisse sind in
guter Übereinstimmung mit den Literaturangaben über das Verhalten
verschiedener makromolekularer Verbindungen bei der Bestrahlung mit UV-Licht.
Während Silicone gegen UV-Strahlung beständig sind, wird Gummi,
das Naturkautschuk (cis-1,4-Polyisopren) enthält, durch UV-Strahlung
mehr oder weniger stark verändert und vor allem in seinen elastischen
Eigenschaften geschädigt. Diese Veränderungen sind chemischer
Natur und werden durch die energiereiche UV-Strahlung eingeleitet (vgl.
auch 5 Ergänzende Sachinformation). In Gegenwart von
Sauerstoff wird Naturkautschuk bereits bei Bestrahlung mit sichtbarem Licht,
erst recht aber bei UV-Bestrahlung, photochemisch oxidiert (Photooxidationen).
Dies bewirkt zunächst eine Verringerung der Molekulargewichts (also
eine Fragmentierung der Makromoleküle) und später eine Vernetzung
der Bruchstücke. Das Material wird weich und an der Oberfläche
klebrig, später entsteht eine spröde Schicht. Durch die Einwirkung
von Licht werden einige C-H Bindungen aus den Makromolekülen des Naturkautschuks
homolytisch gespalten (bevorzugt reagieren in dieser Weise C-H Bindungen
aus allylischen Positionen, d.h. in α-Stellung
zu Kohlenstoff-Kohlenstoff Doppelbindungen). Bei dieser Homolyse entstehen
Radikale, die Kettenreaktionen auslösen, an denen auch Sauerstoff beteiligt
ist. Man spricht von Autoxidation. Die Primärprodukte
der Autoxidation sind Bruchstücke der ursprünglichen Makromoleküle,
die nun als Hydroperoxide R-O-OH oder als Peroxide R-O-O-R vorliegen (vgl.
Reaktionsschemata). Diese Primärprodukte sind im allgemeinen nicht
stabil und zerfallen in Folgeprodukte. |
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 Zusätzlich
zu der oben beschriebenen Autoxidation ist beim Naturkautschuk aufgrund
der in den Polymerketten häufig vorhandenen Kohlenstoff-Kohlenstoff
Doppelbindungen und der räumlichen Nähe der Polymerketten auch
die so genannte photochemische [2+2]-Cycloaddition als Reaktionstyp denkbar.
Diese Reaktion verläuft am Beispiel der Dimerisierung zweier cis-1,4-Polyisoprenmoleküle
(Naturkautschuk) nach dem folgenden Reaktionsschema: |
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 Mit
diesen beiden Reaktionstypen (Autoxidation und [2+2]-Cycloaddition) können
die Veränderungen des Latex und des Gummischlauchs (Laborschlauchs)
erklärt werden, da dieser nach Angabe des Herstellers aus einer Mischung
von Naturgummi und Butadien-Styrol-Gummi (BSR) besteht. Dass bei dieser
Probe, im Vergleich zum Latex, die Veränderungen nicht so ausgeprägt
sind, kann auf die größere Dicke und auf den höheren Vulkanisationsgrad
der Gummischlauchprobe zurückgeführt werden. Bei längerer
Bestrahlung sollten sich auch bei dieser Probe die Eigenschaften stärker
verändern. Da der Versuch jedoch in einer Schulstunde durchführbar
sein soll, wurden die Auswirkungen einer längeren Bestrahlung nicht
untersucht.
Die Beständigkeit des Fahrradschlauches gegen UV-Bestrahlung beruht
auf zwei Merkmalen: Erstens ist das Gummi des Fahrradschlauchs so genannter
Butylkautschuk, ein Copolymer aus nur 1 bis 3 % Isopren (2-Methyl-butadien)
und 97 bis 99 % Isobuten. Im Butylkautschuk sind demnach weitaus weniger
C=C Doppelbindungen als im Naturkautschuk, also auch weitaus weniger Atomgruppen,
bei denen die Autoxidation und die [2+2]-Cycloaddition erfolgen kann. Zweitens
enthält das Gummi des Fahrradschlauchs Russ als Zusatz, um die mechanischen
Eigenschaften und die Abriebfestigkeit des Schlauches zu verbessern. Der
Russ absorbiert aber auch Licht jeder Wellenlänge (schwarze Farbe)
und verringert damit die Anzahl der zu Abbaureaktionen führenden Photonen.
Man kann auch bei Gummi mit höherem Anteil an Naturkautschuk (cis-1,4-Polyisopren)
die UV-Strahlenbeständigkeit durch Zusatz von Russ erhöhen. |
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 4
Tipps und Anmerkungen
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- Anhand des Versuches machen die Schüler die
Erfahrung, dass bei Bestrahlung von Elastomeren photochemische Reaktionen
stattfinden können, die die Eigenschaften des Elastomers nachteilig
verändern. Im Versuch werden die Gummi-Proben wesentlich drastischeren
Bedingungen ausgesetzt als in der Wirklichkeit (kurzwellige und intensive
UV-Strahlung). Insofern handelt es sich um ein typisches Experiment,
das der Prüfung von Materialeigenschaften dient.
- Für den Schulunterricht gibt es als Einstieg
in die Wechselwirkung zwischen Licht und Stoffen und in photochemische
Reaktionen einfachere Beispiele als die aus diesem Versuch. Die hier
dargestellten Ergebnisse können aber in Facharbeiten und / oder
Jugend-forscht Arbeiten übernommen und durch weitere Experimente
ergänzt werden.
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 5
Ergänzende Sachinformationen
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Ausgangspunkt für die chemischen Reaktionen
von Kunststoffen bei Einwirkung von sichtbarem Licht und von UV-Strahlung
sind die durch Absorption der elektromagnetischen Strahlung hervorgerufenen
elektronischen Anregungen in den Molekülen (vgl. dazu auch <"http://www.chemiedidaktik.uni-wuppertal.de/"> Licht und Farbe, Licht und Energie).
Moleküle befinden sich unter normalen Bedingungen, d.h. bei Raumtemperatur
und ohne Einwirkung von Licht, im elektronischen Grundzustand (vgl. Abb. 1). Dabei sind die erlaubten Energiestufen im Molekül lückenlos
von unten nach oben mit je einem Elektronenpaar besetzt. Die höchste
besetzte Energiestufe wird in der Molekülorbitaltheorie als HOMO (highest
occupied molecular orbital) bezeichnet. In Abbildung 1 ist die Besetzung
des HOMO durch die beiden Pfeile mit entgegengesetzter Richtung gekennzeichnet,
was bedeutet, dass die beiden Elektronen entgegengesetzten Spin haben. Die
nächste über dem HOMO liegende und für das Molekül erlaubte,
aber im Grundzustand nicht mit Elektronen besetzte Energiestufe wird als
LUMO (lowest unoccupied molecular orbital) bezeichnet.
Durch Absorption eines Photons, dessen Energie beträgt, also genau der Energiedifferenz zwischen LUMO und HOMO entspricht,
geht das Molekül nun vom Grundzustand in den angeregten
Zustand über. Beim Sprung des Elektrons aus dem HOMO ins LUMO,
der ca. 10-15 s dauert, wird der Spin des Elektrons erhalten.
 Der
angeregte Zustand ist ein so genannter Singulett-Zustand (vgl. Abbildung
2; auf die Erklärung des Begriffs Singulett wird hier verzichtet).
Aus dem so erreichten angeregten Singulett-Zustand kann das System (das
angeregte Molekül) innerhalb von ca. 10-9 s wieder unter
Ausstrahlung eines Lichtquants (Fluoreszenz) oder durch Abgabe von Wärme
in den Grundzustand zurückkehren. Es kann aber auch chemisch reagieren,
beispielsweise durch die homolytische Spaltung einer Bindung. Der erste
Schritt bei der Autoxidation, die Homolyse der C-H Bindung, ist eine solche
photochemisch induzierte Reaktion aus dem angeregten Singulett-Zustand. |
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 Unter
bestimmten Bedingungen (die hier nicht näher erläutert werden)
kann das angeregte Elektron seinen Spin umkehren. Der dabei gebildete angeregte
Triplett-Zustand (vgl. Abbildung 3) hat mit 10-3 bis 101 s eine wesentlich längere Lebensdauer als der Singulett-Zustand. Der
Grund dafür ist, dass die Rückkehr aus dem angeregten Triplett-Zustand
in den Grundzustand dem Spinverbot unterliegt und somit sehr viel unwahrscheinlicher
ist als die Rückkehr aus dem angeregten Singulett-Zustand in den Grundzustand.
Wenn angeregte Moleküle aus dem Triplett-Zustand durch Emission von
Lichtquanten desaktiviert werden, beobachtet man die so genannte Phosphoreszenz,
die länger anhält als die Fluoreszenz. Wegen ihrer relativ langen
Lebensdauer können sich angeregte Moleküle im Triplett-Zustand
auch an bimolekularen Reaktionen beteiligen, d.h. an Reaktionen, die den
Stoß des angeregten Moleküls mit einem anderen Molekül voraussetzen.
Bei den weiter oben beschriebenen photochemischen Reaktionen in Elastomeren
auf der Basis von Naturkautschuk (cis-1,4-Polyisopren) sind aller Wahrscheinlichkeit
nach auch Triplett-Zustände beteiligt, insbesondere bei den bimolekular
verlaufenden Reaktionsschritten. |
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 6 Literatur |
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- M. Tausch, M. von Wachtendonk (Hrsg.), CHEMIE S II, STOFF-FORMEL-UMWELT,
C.C. Buchner, Bamberg (1993), (1998), S. 297 - 302
- D. Wöhrle, M. W. Tausch, W.-D. Stohrer, PHOTOCHEMIE - Konzepte,
Methoden, Experimente, Wiley-VCH, Weinheim (1998)
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